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«Ich war zu wenig kritisch»

Der EVZ setzt auf einen langfristigen Ansatz und sieht von einem Frühlingsputz ab. Patrick Lengwiler hält am Bekenntnis fest, ein Spitzenteam sein zu wollen. Er wehrt sich gegen «billige und pauschale» Kritik und erklärt, weshalb das Budget erhöht wird.

Dieses Interview ist am Donnerstag, 25. April in der Zuger Zeitung erschienen.

Autor: Philipp Zurfluh

 

Zwei Wochen sind seit dem Halbfinal-Out vergangen. Ist die interne Analyse abgeschlossen?

Patrick Lengwiler: Es wurden viele Gespräche geführt, wir haben uns eingehend unterhalten. Es ist bei allen Spielern, Coaches und Sportchef sehr viel Selbstkritik auszumachen. Niemand ist zufrieden. Es sind diverse Gründe, die zum Endergebnis geführt haben. Bei einigen Dingen hatten wir nur bedingt Einfluss. So bekundeten wir im Vergleich zu den Meisterjahren leider mehr Verletzungspech. Das soll nicht als Ausrede herhalten, aber ist eben ein Fakt.

 

Welche Rolle haben Sie als Chef der Organisation bei der Aufarbeitung übernommen?

Wichtig ist mir, dass jeder Einzelne in den Spiegel schaut und wir intern kritisch und konstruktiv miteinander umgehen. Manche Journalisten brauchen stets einen Schuldigen, den man zerfleischen kann. Das ist aber bei uns nicht angebracht und bringt uns auch nicht weiter. Mit dem Finger auf den anderen zeigen, ist das Einfachste der Welt. Wir haben definiert, wo der Hebel anzusetzen ist, zum Beispiel bei der Kaderzusammenstellung. Dem Element Physis und Durchsetzungsfähigkeit wurde zu wenig Beachtung geschenkt, als wir solche Spieler zu ersetzen hatten. Das kann man uns berechtigterweise anlasten.

 

Hat auch der totale Erfolgshunger gefehlt?

Der grösste gemeinsame Nenner von allen Beteiligten geht dahin, dass wir gewisse Dinge für selbstverständlich genommen haben. Auch so nach dem Motto, es kommt dann schon gut. Ich habe es intern überspitzt formuliert: Wir sind «fett und happy» geworden. Wir müssen uns wieder darauf fokussieren, was uns erfolgreich gemacht hat und es jeden Tag gegenseitig einfordern, insbesondere die Spieler unter sich.

 

Der EV Zug emotionalisiert. Wie lautete der Tenor der Reaktionen nach Saisonende, die an Sie herangetragen wurden?

Ich spüre immer noch den Kredit, den wir aus den Meisterjahren geniessen. Viele Leute können realistisch einordnen, dass die Umstände in dieser Saison nicht ideal waren, um die allerbesten Teams herauszufordern.

 

Welche Fehler kreiden Sie sich selbst an?

Nach dem Erfolg in den vergangenen Jahren sind wir schleichend etwas genügsam geworden. Top-Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie immer besser werden wollen, sozusagen das Haar in der Suppe suchen, neue Triggerpunkte finden. Das ist mir nicht genügend gelungen. Ich bin die kritischste Stimme innerhalb der Organisation. Ich war zu wenig kritisch. Bei allem Erfolg gilt es stets demütig und erfolgshungrig zu bleiben.

 

In Ihrer sportlichen Schlussbilanz war die Rede von privaten Schicksalsschlägen. Können Sie das präzisieren?

Das möchte ich nicht aufgrund der Privatsphäre und aus Gründen des Respekts. Nur so viel: Wer privat eine schwierige Situation durchmacht, kann diese belastende Situation nicht auf Knopfdruck abschütteln. Fehlen bei einem Profisportler nur schon einige Leistungsprozente, hat dies immense Konsequenzen.

 

Jan Kovar sollen gröbere Probleme beschäftigen. Darüber reden möchte er nicht.

«Kovi» hat über Jahre Unglaubliches für diesen Klub geleistet. In der abgelaufenen Saison ist er aus mehreren Gründen unter seiner Normalform geblieben. Er hat die letzten Monate sehr selbstkritisch aufgearbeitet und stellt sich der Verantwortung.

 

Sein Vertrag läuft noch ein Jahr. Wie geht es mit ihm weiter?

Wir vertrauen ihm und glauben an ihn.

 

Das klingt nach einem Bekenntnis.

Ja. Wir gehen mit ihm in die nächste Saison. Aber er muss auf dem Eis die richtige Antwort geben.

 

Mit der Formulierung, «der Titel muss das Ziel sein», sendeten Sie vor einem Jahr ein deutliches Signal aus. Das schürt grosse Erwartungen. Müssen Sie nun zurückbuchstabieren?

Das wäre schlicht unehrlich. Egal, welchen Spieler Sie fragen, niemand wäre mit einer tieferen Zielsetzung einverstanden. Wir wollen nach Titel streben. Die Ziele sollen hoch bleiben. Der Titel ist ein ambitioniertes Vorhaben und es muss sehr viel zusammenpassen, dass man dies erreichen kann. Wenn es dann nicht reicht, muss man nicht gleich alles infrage stellen. Es gibt noch viele andere Klubs, die nicht minder hohe Ambitionen für sich in Anspruch nehmen und ebenso hart daran arbeiten.

 

Ist der EVZ überhaupt abhängig vom sportlichen Erfolg?

Wir sind gut aufgestellt, so dass wir kurzfristig auch einen sportlichen Misserfolg verkraften könnten. Wir haben aber immer noch die Halbfinals erreicht. Nicht von Ihnen selbst, aber in Ihrer Zeitung wurde das Erreichen des Halbfinals als Mittelmass bezeichnet, das ist überheblich. Die letzten vier Meister heissen Zürich, Bern, Zug und Genf. Drei von diesen Teams haben im Jahr nach ihrem Titel nicht einmal die Playoffs erreicht. Der EVZ hingegen hat den Meistertitel zuerst erfolgreich verteidigt und stand danach zweimal im Halbfinal, in der Saison 2022/23 auch in der Champions Hockey League. Unsere Baisse gilt es immer noch richtig einzuordnen.

 

Sie blasen kommende Saison mit sieben Ausländern zum Titelangriff. Wurden Sie vom Trainer und Sportchef dazu gedrängt?

Nein. In uns ist die Erkenntnis gereift, dass wir auf Eventualitäten wie Verletzungen von Saisonbeginn weg besser vorbereitet sein müssen.

 

Dabei wollten Sie auch schon mit fünf Ausländern in die Saison starten, was intern auf Gegenwind stiess.

Ich bedaure, dass sich die Diskussion in der Öffentlichkeit ständig um die Ausländer dreht. Unser Kader ist bestückt mit sehr starken Schweizer Akteuren, die zu den Topverdienern gehören. Manchmal kommt es mir vor, als ob deren Leistungen weniger Beachtung geschenkt wird. Fakt ist: Wenn unsere Leistungsträger schwächeln, haben wir keine Chance, mit der Spitze mitzuhalten. Die Nationalität spielt hier für mich keine Rolle.

Aber die Bilanz der ausländischen Fraktion – Marc Michaelis als EVZ-Bester auf Position 29 der Skorerliste klassiert – ist kein Ruhmesblatt.

Hier können und müssen wir besser werden, keine Frage. Wir haben aber auch Spieler, von denen wir nicht erwartet haben, dass sie 50 Punkte realisieren, weil wir überzeugt sind, dass sie uns mit anderen Qualitäten helfen.

 

Jüngst wurde Ihnen vermehrt der Vorwurf gemacht, zu viel Geld für die Benutzung des Athletikzentrums OYM zu investieren.

Diese Kritik finde ich billig und pauschal. Wir sollen also das Geld besser für höhere Löhne ausgeben, statt es für die Ausbildung junger Hockeyspieler aufzuwenden, unsere Zukunft? Das ist mir viel zu kurzfristig gedacht. Wir zahlen für die Elite-Teams U17 und U20 sowie die 1. Mannschaft insgesamt 3 Millionen Franken, ergibt pro Athlet rund 40’000 Franken für die Nutzung der ganzen Infrastruktur, Athletik, Ernährung, Ernährungsberatung, Testing, Wissenschaft und Health Management. Keine Frage, es ist viel Geld. Alle 75 Spieler werden dadurch aber auch top betreut und an die Spitze gefördert. Seit 2020 ist der Leistungsauftrag identisch – im 2021 und 2022 wurden wir Meister. Die Zahlungen an das OYM sind folglich nicht der Grund.

 

Aber besteht nicht die Gefahr, dass der menschlichen Komponente zu wenig Beachtung geschenkt wird und stattdessen die Wissenschaft überhandnimmt?

Man muss es richtig einordnen. Die Infrastruktur und das Konzept im OYM sollen möglichst gute Voraussetzungen für die Athleten schaffen, um sportlichen Erfolg zu haben. Ich bin überzeugt, dass es richtig ist, die Athleten wissenschaftlich zu begleiten, ohne dass der zwischenmenschliche Faktor vernachlässigt wird.

 

War denn vor Jahren, bevor es das OYM gebaut wurde, alles schlecht, was die Trainings- und Betreuungsmöglichkeiten betrifft.

Nein, aber wir hatten definitiv Handlungsbedarf, wenn man sich daran orientiert, wie sich international der Sport entwickelt. Wir waren der Auslöser dafür, dass unser Präsident HP Strebel das OYM auf privater finanzieller Basis erstellt hat. Wir sind dankbar, dass wir eine solche Infrastruktur haben und nutzen können.

 

Namhafte Spieler sollen dem EV Zug auch schon einen Korb gegeben haben, weil sie sich dem OYM-Konzept nicht unterwerfen wollten. Ist das die Kehrseite der Medaille?

Damit müssen und können wir leben. Wir haben als EVZ unseren Weg definiert. Wenn ein Spieler sagt, er möchte diesen Weg nicht bestreiten, macht eine Zusammenarbeit keinen Sinn.

 

Gibt es Optimierungsbedarf, was die Zusammenarbeit mit dem OYM betrifft?

Definitiv. Im gemeinsamen Dialog streben wir stets danach, die Zusammenarbeit zu optimieren.

 

Leistet sich der EVZ nächste Saison ein teureres Kader?

Wir werden das Budget leicht erhöhen, weil wir mit sieben Ausländern starten. Die Investitionen sind es uns wert, ohne uns finanziell zu verausgaben.

 

Wird der EV Zug das Geschäftsjahr mit einer schwarzen Null abschliessen können?

Die Zahlen liegen noch nicht vor, aber wir sind finanziell gesund und stabil unterwegs. Nach den zwei Meistertiteln mussten wir das Budget drastisch erhöhen, der Marktwert von vielen Spielern hat sich erhöht, und zudem kamen mit Hofmann und Geisser zwei Spieler aus Nordamerika zurück. Unser Kader kostete immer noch eine Million mehr als das Meisterteam 2022. Bis zur Stadionerweiterung werden wir finanziell keine grossen Würfe machen können. Wir wollen nicht einfach unendlich an der Preisschraube für die Fans drehen, also werden wir mit den bestehenden Mitteln das Beste machen. Erfolg ist nicht nur eine Frage des Geldes.

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